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Von Dr. med. Bernd Guzek
Jeder, sich mit Suchtbehandlung befasst, weiß, wer Bill W. war – einer der beiden Gründer der Anonymen Alkoholiker. Weniger wissen, dass er überzeugt davon war, dass Nährstoffe den Ausstieg aus der Sucht deutlich erleichtern und zur schnelleren, stabilen Trockenheit führen können.
Bill W. – Mitgründer der AA und Niacin-Befürworter
Bill W. (William G. Wilson), Mitbegründer der Anonymen Alkoholiker, stürzte nach einer frühen Wall-Street-Karriere infolge seiner Alkoholkrankheit ab. Über die christliche Oxford Group, mehrere Klinikaufenthalte und eine tiefgreifende spirituelle Erfahrung fand er 1935 zur dauerhaften Abstinenz. Noch im selben Jahr gilt die Gründung von AA als erfolgt, 1939 erschien das „Big Book“ der Anonymen Alkoholiker.
Trotz Abstinenz litt Bill W. weiter an Depression, Schlaflosigkeit und Erschöpfung. 1958 stellte Aldous Huxley ihn dem kanadischen Psychiater Abram Hoffer vor, einem Pionier der orthomolekularen Medizin. Auf Hoffers Rat begann Bill eine Hochdosis-Therapie mit Niacin (Vitamin B3: 1.000 mg nach jeder Mahlzeit) – seine Beschwerden besserten sich rasch.
Die AA-Führung lehnte das Nährstoffkonzept ab

In der Folge warb Bill W. aktiv für Niacin als Ergänzung zur AA-Arbeit. 1965 prüfte er 30 bereits nüchterne AA-Mitglieder mit anhaltenden Beschwerden: 10 besserten sich im ersten Monat, weitere 10 im zweiten; die übrigen zeigten keinen zusätzlichen Effekt. Er verfasste daraufhin das Büchlein „The Vitamin B3 Therapy“, stieß jedoch bei der AA-Führung auf Widerstand („kein Arzt“).
Gemeinsam mit Hoffer sprach er 1966 vor den „International Doctors in AA“ in Indianapolis. Obwohl die Fachwelt skeptisch blieb, stieg das Interesse: Von nahezu null (1965) auf 24.000 verkaufte Einheiten Niacin (1967); 1968 veröffentlichte Bill erneut und bezeichnete B3 als wertvolle Ergänzung der Alkoholismus-Behandlung.
Nach Bills Tod (1971) vollendete seine Frau Lois ein weiteres Manuskript. Darin berichtete u. a. Dr. Russell Smith über 500 Alkoholiker, von denen 75 % von B3 profitiert hätten. Der medizinische Mainstream reagierte gelangweilt bis ablehnend. Dieses späte, vergessene Kapitel zeigt Bill W.s vergebliche Bemühen, AA durch ernährungsmedizinische Ansätze zu erweitern.
Dr. Abram Hoffer: „Ich habe von niemandem mehr über Sucht gelernt als von Bill W.“
Abram Hoffer starb 2009 im Alter von 91 Jahren. Von ihm ist auf YouTube ein Video erhalten, in dem er über Bill W. und dessen Ansatz berichtet, mit Nährstoffen und Vitaminen den Ausstieg aus der Sucht zu erleichtern. Wir haben ein Transkript des Videos für Euch erstellt und übersetzt. Wir dokumentieren es hier im Originaltext.
„Ich möchte auch Haleh danken; sie ist eine ausgezeichnete Neuropsychiaterin und hat mich sehr freundlich eingeführt. Danke, Haleh.
1960 traf ich Bill W. bei einem Treffen in New York City. Es war eine interessante Veranstaltung, organisiert von Eileen Garrett, der Präsidentin der American Parapsychology Foundation, und Bill war an diesen Phänomenen sehr interessiert. Wir lernten uns dort kennen und wurden große Freunde. Wir begannen zu sprechen, und dann erzählten Humphrey und ich ihm von den Ergebnissen, die wir mit Niacin bei Schizophrenen und Alkoholikern erzielten. Bill war ein kluger Kopf; er war so intelligent, dass er die Möglichkeiten sofort erkannte. Wenn wir recht hatten, dann hätten wir einen Weg gefunden, noch mehr zu erreichen, als AA allein leisten kann. Er wollte AA nicht ersetzen, sondern verbessern, denn die Ergebnisse von AA ohne den ernährungsmedizinischen Baustein sind nicht so gut – auch wenn AA Millionen Menschen geholfen hat. Bill war sehr begeistert.
Damals arbeitete ich am Huxley Institute of Social Research und war eine Zeitlang dessen Präsident; das hieß, ich musste oft nach New York. Ich war bestimmt hundertmal dort, und jedes Mal traf ich Bill. Wir aßen zusammen, verbrachten Abende miteinander und sprachen viel. Ich habe so viel von ihm gelernt; über das Thema Sucht habe ich von keinem einzelnen Menschen mehr gelernt als von ihm. Eines Abends in seinem Hotel in New York sagte Bill: „Abram, ich habe hier 30 Akten, die ich mit dir durchgehen möchte.“
Ich fragte: „Was?“ Er sagte: „Ja, ich habe 30 meiner Freunde untersucht – alle Mitglieder von AA, Künstler, Wissenschaftler, Schauspielerinnen und Schauspieler, hochqualifizierte Leute. Ich habe ihnen allen Niacin gegeben.“ – „Großartig, und was geschah?“ – „Nun, bei zehn war nach einem Monat alles normal, bei weiteren zehn nach dem zweiten Monat; die letzten zehn haben sich noch nicht erholt.“ Das war fantastisch, weil es genau das bestätigte, was wir damals in Saskatchewan sahen.
Bill war darüber enorm begeistert und stellte – indem er Niacin großzügig ausgab – fest, dass es noch viele andere Eigenschaften hat. Zum Beispiel ist es ausgezeichnet bei Arthritis; darauf hatte bereits Bill Kaufman hingewiesen, der 1945 und 1950 veröffentlichte. Außerdem senkt es, wie wir zeigten, die Cholesterinwerte; wir hatten das in Saskatchewan entdeckt und 1955 publiziert. Es ist das beste bekannte Mittel, um Cholesterin zu senken und HDL – das „gute“ – zu erhöhen, im Gegensatz zu Statinen, die – so seine scharfe Formulierung – betrügerisch seien und niemandem außer den Pharmakonzernen nutzen. Niacin hingegen ist wirklich gut; es ist die einzige Substanz, die in einer großen, von der US-Regierung getragenen National Coronary Drug Study gezeigt hat, dass sie die Sterblichkeit bei Männern senkt, die bereits einen Herzinfarkt hatten. Bis heute ist es der Goldstandard zur Senkung des Cholesterins, auch wenn die meisten Ärzte das nicht wissen.
Bill wusste all das und beschloss, diese Information an eine Organisation namens „International Doctors in AA“ weiterzugeben – es gibt so viele alkoholkranke Ärzte, dass sie ihren eigenen Ärzteverband haben. Diese hatten ihn jahrelang gebeten, zu ihnen zu sprechen. Bill war jedoch vorsichtig geworden – er wollte nicht „zu Gott werden“, wie er sagte, er wollte sich nicht vergötzen lassen – und zog sich allmählich aus der Öffentlichkeit zurück. Schließlich luden sie ihn zu einem Treffen in Indianapolis am Speedway, in einem der Motels, ein. Er sagte: „Wenn ihr Dr. Hoffer einladet, komme ich und spreche auch.“ Denen ging es zwar in erster Linie um Bill, aber sie taten alles, um ihn als Redner zu bekommen. Bill fragte mich, ob ich käme; ich sagte: „Sehr gern.“
In Indianapolis fand dann ein großartiges Treffen statt. Ich war umgeben von Ärzten, alle AA-Mitglieder, und von Bill W. Bill hielt einen schönen Vortrag, der im Grunde das zusammenfasste, was ich Ihnen gerade umrissen habe. Danach sprach ich und legte in wissenschaftlicherer Form dar, was wir taten. Ich mochte diese AA-Ärzte sehr; es waren ausgesprochen praxisorientierte Ärzte. Heute würde man für solche Ergebnisse wohl erst einen Ausschuss einsetzen, Genehmigungen durch übergeordnete wissenschaftliche und Ethikgremien einholen – und wenn man dann irgendwann handeln dürfte, wäre die Idee zwei Jahre später tot.
Dieses Treffen war anders: Sie setzten einen Dreierausschuss ein, der unsere Angaben prüfen sollte – und taten das Richtige: Alle drei begannen, selbst Niacin einzunehmen. Einen Monat später sagten alle: „Es ist großartig.“ Jeder fühlte sich besser, weil er Niacin nahm. Damit hatte Bill die offizielle Rückendeckung der AA-Ärzte. Er verfasste daraufhin ein Rundschreiben an Ärzte – einige von Ihnen mögen es kennen. Es war brillant geschrieben; darin empfahl er AA-Mitgliedern, zusätzlich zu AA auch Niacin einzunehmen. Über weitergehende Ernährungsempfehlungen äußerte er sich aus Vorsicht noch nicht.
Damit handelte er sich jedoch Ärger ein: Die internationale AA-Zentrale in New York war sehr verärgert über Bill – ironischerweise Leute, die er selbst berufen hatte und die ihm nahestanden. Die Ärzte in diesem Gremium fanden, Bill W. ohne medizinisches Staatsexamen habe kein Recht, über Vitamine zu sprechen – ähnlich wie man Linus Pauling als Betrüger diffamierte, weil er kein Mediziner war: Mit welchem Recht rede der über Medizin? Trotzdem entfaltete das Ganze Wirkung, und als Bill starb, war die Sache bereits in gutem Schwung; es gab viel Kooperation, nicht nur Hörensagen und vereinzelte Ergebnisse.
Dr. David Hawkins, ein Psychiater auf Long Island und ein guter Freund von mir, leitete eine Klinik. Er war als Psychoanalytiker ausgebildet, praktizierte Psychoanalyse, mochte Bill sehr und wurde ebenfalls begeistert. Wir wurden enge Freunde, und er begann, alkoholkranke Schizophrene mit Niacin zu behandeln. Das ist die schwierigste Patientengruppe überhaupt, denn sobald man die Schizophrenie in den Griff bekommt, werden sie psychotisch und beginnen wieder zu trinken – sie schwanken zwischen Trinken und Nicht-Trinken.
Ein Beispiel: Eine junge Frau kam vor vielen Jahren in Saskatoon zu mir. Ihr Problem war Alkoholismus – sie hasste Alkohol, sie hasste es, betrunken zu sein –, litt aber unter quälenden Stimmen. Sie stellte fest: Immer wenn sie trank, verschwanden die Stimmen; sobald sie zu AA ging, kamen sie wieder. Was sollte sie tun? Ein furchtbares Dilemma. Ich sagte: „Es gibt einen dritten Weg.“ Der dritte Weg besteht darin, gesund zu werden, ohne dass die Stimmen zurückkehren. Ich gab ihr Niacin, und innerhalb von zwei bis drei Monaten war sie frei von den Stimmen und musste nicht mehr trinken.
Sie wurde ein gutes AA-Mitglied; tatsächlich gehörte sie in Saskatoon zu der Gruppe „Schizophrenics Anonymous“, die ich mit Hilfe von Bill W. gegründet hatte – die erste Gruppe dieser Art, die wir betrieben. Sie wurde eine unserer Expertinnen darin, anderen zu zeigen, wie man ein Treffen führt.
Ich denke, wir müssen das tun, was viele Kliniken in den USA inzwischen sehr gut machen: eine gründliche Untersuchung der Biochemie und des Stoffwechsels von Alkoholikern und Abhängigen, dann die richtigen Änderungen – die passende Ernährung, das Weglassen allergener Nahrungsmittel (sehr wichtig), das Weglassen von Zucker, eine Kost, die sie nicht krank macht. Man soll sie ermutigen, nicht zu trinken, keine Drogen zu nehmen, AA beizutreten, wenn das nötig ist, und ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen, um vom kranken in den normalen Zustand zu kommen. Das halte ich für äußerst wichtig.
Aus diesem Grund möchte ich Ihrer Organisation danken. Ich möchte Miss Rubens danken, die so hilfreich bei der Organisation war. Ich möchte der Cara für diese Auszeichnung danken, die ich sehr schätze – und wenn meine Familie aus Toronto mich besuchen kommt, zeige ich ihnen diesen großartigen Preis sehr gern. Vielen Dank.“
Was ist Niacin?
Biochemische Plausibilität (NAD⁺/NADH)
Kurz gefasst wirkt Niacin (Vitamin B3) beim Entzug vor allem biochemisch: Es ist Vorstufe der Coenzyme NAD⁺/NADP⁺. Beim Alkoholabbau reduzieren Alkohol- und Aldehyd-Dehydrogenase NAD⁺ zu NADH; die resultierende Verschiebung des NADH/NAD⁺-Verhältnisses stört zahlreiche Stoffwechselwege. Eine ausreichende B3-Zufuhr kann die NAD⁺-Pools stützen und damit redoxabhängige Prozesse (inkl. Aldehyd-Detox) wieder ankurbeln – ein plausibler Mechanismus, der die vegetative Übererregung und Erschöpfung im Entzug indirekt abmildern kann.
Zweitens ist bei Alkoholkranken B-Vitamin-Mangel häufig. Zu den Risikogruppen für Niacinmangel zählt ausdrücklich Alcohol Use Disorder, also die Alkoholkrankheit. Ein ausgeprägter B3-Mangel (Pellagra) verursacht gastrointestinale, dermatologische und neuropsychiatrische Symptome (u. a. Depression, Schlafstörungen, Halluzinationen), die Entzugssymptome verstärken oder imitieren können. Das Korrigieren eines Defizits kann daher Befinden, Schlaf und Affekt stabilisieren – unabhängig von einer spezifischen Entzugsmedikation.
Sicherheitsaspekte & ärztliche Kontrolle
Leitlinien zum Alkoholentzug sehen Benzodiazepine (ggf. Phenobarbital) sowie Thiamin und weitere supportive Maßnahmen als Standard vor. Niacin ist nicht Bestandteil offizieller Entzugsprotokolle. Historische Berichte (Hoffer/Wilson) beschreiben Nutzen von hochdosiertem B3 v. a. auf Stimmung, Schlaf und Craving, sind aber nicht durch robuste, kontrollierte Studien gedeckt. Praktisch heißt das: B3 kann als Ergänzung zur Mangelkorrektur sinnvoll sein, ersetzt aber keine leitliniengerechte Entzugsbehandlung. Bevorzugt wird zur Substitution oft Nicotinamid (flushing-frei); Nicotinsäure kann Flush auslösen und in hohen Dosen (v. a. Retard) hepatotoxisch sein sowie Glukose-/Harnsäurewerte beeinflussen – daher nur ärztlich überwacht einsetzen, Leberwerte, Glukose/HbA1c und Harnsäure kontrollieren.
Wer war Abram Hoffer?
Abram Hoffer (11. November 1917 – 27. Mai 2009) war ein kanadischer Biochemiker, Arzt und Psychiater, der für seine „Adrenochrom-Hypothese” zu schizoaffektiven Störungen bekannt war. Laut Hoffer sind Megavitamintherapie und andere ernährungsbezogene Interventionen potenziell wirksame Behandlungsmethoden gegen Krebs und Schizophrenie. Hoffer war auch an Studien zu LSD als experimentelle Therapie für Alkoholismus beteiligt und an der Entdeckung, dass hochdosiertes Niacin zur Behandlung von hohem Cholesterinspiegel und anderen Dyslipidämien eingesetzt werden kann.
Wo bekomme ich mehr Informationen über Nährstoffe im Alkoholentzug?
Mehr Informationen über den Einsatz von Nährstoffen beim Ausstieg aus dem Alkohol findest Du in unserem Buch „Alkohol adé“ und auf unserer Website hier, vor allem im Service-Teil.






