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Bei Suchterkrankungen wie Alkoholismus ist das System aus dem erregenden Glutamat und dem beruhigenden GABA gestört. Das erhöht unter anderem das Craving. NAC dämpft die Übererregung und kann helfen, das Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

ACC (NAC) beim Alkohol-Entzug

Von Dr. med. Bernd Guzek

Die meisten von Euch kennen N-Acetylcystein (NAC oder ACC) als Schleimlöser bei Erkältungen, doch es hat weit mehr zu bieten – besonders bei Alkoholentzug und der Unterstützung der Lebergesundheit. Ich erkläre heute, wie NAC bei Alkoholabhängigkeit wirkt, warum es die Leber schützt und ob es selbst bei bereits geschädigter Leber sinnvoll ist. Bonusmaterial: NAC dämpft auch Mikroentzündungen im Körper, was bei Alkoholproblemen eine oft unterschätzte Rolle spielt.

Wie ACC / NAC Übererregung und Craving dämpfen kann

Alkoholentzug ist für Körper und Gehirn eine enorme Belastung, das brauche ich auf dieser Website wohl niemandem von Euch zu erklären. Langjähriger Alkoholkonsum stört das Gleichgewicht im Gehirn, insbesondere das GlutamatGABA-System, das Nervenzellen aktiviert – auf der Skala von übererregt bis völlig ruhig: Beim Entzug reagiert das Gehirn übererregt, was Symptome wie Zittern, Angst oder sogar Krampfanfälle auslösen kann.
Hier kommt NAC vorbeugend ins Spiel. Um es sicherheitshalber klar zu sagen: Es ist kein Mittel, den Entzug bei schwerer Abhängigkeit mal eben zu Hause zu erledigen. Es ist ein sinnvolles Zusatzmodul. Mehr nicht.

Bei Suchterkrankungen wie Alkoholismus ist das System aus dem erregenden Glutamat und dem beruhigenden GABA gestört. Die Wirkungen des Glutamats überwiegen, Zittern, Angst oder sogar Krampfanfälle können einige der Folgen sein – und zu allem Überfluss verstärkt sich so das Craving, das Verlangen nach Alkohol.

NAC wirkt wie ein Regler im Gehirn. Es aktiviert ein Austauschsystem in den Gehirnzellen (den Cystin-Glutamat-Antiporter), das überschüssiges Glutamat aus dem Raum zwischen den Nerven entfernt. So dämpft NAC die Übererregung und hilft, das Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Studien zeigen, dass NAC das Verlangen nach Alkohol reduziert, besonders im Belohnungszentrum des Gehirns (Nucleus accumbens). Das macht es einfacher, den Drang zu trinken zu kontrollieren.

Zusätzlich dämpft NAC Mikroentzündungen im Gehirn, die durch chronischen Alkoholkonsum entstehen. Diese kleinen Entzündungen, oft durch aktivierte Mikroglia (Immunzellen des Gehirns) verursacht, verstärken das Suchtverhalten und die Entzugssymptome. Durch seine antioxidative Wirkung reduziert NAC diese Entzündungen, was die Erholung des Gehirns unterstützt.

In der Praxis bedeutet das: Menschen im Alkoholentzug könnten mit NAC weniger starke Entzugssymptome und ein geringeres Verlangen nach Alkohol erleben.

ACC / NAC bei Fettleber, Hepatitis und Zirrhose

Auch wenn viele das gern verdrängen: Die Leber leidet stark unter chronischem Alkoholkonsum. Die Leber muss das Nervengift Alkohol abbauen, wobei giftige Substanzen wie Acetaldehyd entstehen, die oxidativen Stress verursachen und Leberzellen schädigen. Was ist Acetaldehyd? In der chemischen Industrie ist es ein wichtiger Baustein in der Chemie, um Kunststoffe, Farben, Duftstoffe und Medikamente herzustellen. Es wird beispielsweise zur Produktion von Essigsäure, Kunstharzen und Aromen für Lebensmittel verwendet. Trotz seiner Nützlichkeit für die Produktion ist es giftig und wird daher in der Industrie vorsichtig gehandhabt.

Eine solche Zwischenstufe aus der Kunstharzproduktion muss also die Leber des Alkoholikers jeden Tag auf’s neue abbauen. Irgendwann schwächelt sie dann, früher oder später. Das kann zu Fettleber, Hepatitis oder sogar Zirrhose führen.

Hier kommt NAC ins Spiel. Es ist eine Vorstufe von Glutathion, dem wichtigsten Antioxidans der Leber. Glutathion neutralisiert schädliche freie Radikale, die durch Alkohol entstehen, und schützt so die Leberzellen vor weiteren Schäden. Bei akuten Vergiftungen, etwa durch Paracetamol, wird NAC beispielsweise seit Jahrzehnten eingesetzt, um die Leber zu entgiften, indem es die Glutathion-Speicher auffüllt. Bei alkoholbedingter Leberschädigung wirkt NAC ähnlich: Es reduziert oxidativen Stress und unterstützt die Regeneration der Leber. NAC wird auf Intensivstationen auch bei Knollenblätterpilz-Vergiftungen eingesetzt

Macht NAC auch bei bereits geschädigter Leber Sinn?

Ja, absolut. Studien zeigen, dass NAC bei alkoholischer Fettleber und Hepatitis die Leberfunktion verbessern kann, indem es Entzündungen und oxidativen Stress senkt. Selbst bei fortgeschrittener Schädigung, wie einer Zirrhose, kann NAC die Symptome lindern, indem es Mikroentzündungen in der Leber dämpft und die Zellen vor weiterem Schaden schützt. Es heilt die Leber nicht vollständig, aber es kann die Funktion unterstützen und die Schädigung verlangsamen. Besonders bei Alkoholentzug, wenn die Leber bereits geschwächt ist, kann NAC helfen, die Belastung zu verringern und die Regeneration zu fördern.

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Auch hier spielt die entzündungsdämpfende Wirkung von NAC eine Rolle. Chronischer Alkoholkonsum führt zu Mikroentzündungen in der Leber, die durch entzündungsfördernde Stoffe wie Zytokine verstärkt werden. NAC hemmt diese Prozesse, was die Leberentlastung zusätzlich unterstützt.

Warum ist das spannend?

NAC ist ein vielseitiges, gut verträgliches und kostengünstiges Mittel, das sowohl das Gehirn als auch die Leber bei Alkoholentzug unterstützt. Es dämpft die Übererregung im Gehirn, reduziert das Verlangen nach Alkohol und schützt die Leber vor weiteren Schäden – selbst wenn sie bereits geschädigt ist. Durch seine Fähigkeit, Mikroentzündungen in Gehirn und Leber zu reduzieren, wirkt NAC auf mehreren Ebenen und könnte eine Brücke zwischen körperlicher und mentaler Erholung schlagen. Es ist kein Allheilmittel, aber ein vielversprechender Baustein in der Behandlung von Alkoholabhängigkeit und ihren Folgen.

ACC vs. NAC: Gibt es Unterschiede in der Wirkung?

Nein. NAC ist der wissenschaftliche Name für N-Acetylcystein, der die chemische Substanz beschreibt, während ACC ein Handelsname für bestimmte NAC-haltige Medikamente ist, die vor allem als Schleimlöser vermarktet werden. Die beiden Bezeichnungen beziehen sich auf dasselbe Molekül, aber ihre Verwendung hängt vom Kontext ab: NAC in der Wissenschaft, ACC im kommerziellen und alltäglichen Sprachgebrauch. Also ganz kurz: Es ist ein und dieselbe Substanz.

Die meisten NAC-Präparate zum Schlucken sind in der Schweiz, Österreich und Deutschland rezeptfrei.

Fazit

ACC (NAC) ist kein Wundermittel, aber ein sinnvoller Baustein beim Alkoholentzug: Es stabilisiert das Gehirn, senkt Craving und schützt die Leber.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)


Warum kann ACC/NAC beim Alkoholismus fürs Gehirn sinnvoll sein?

Bei Suchterkrankungen wie Alkoholismus ist das Gleichgewicht zwischen erregendem Glutamat und beruhigendem GABA gestört.
Das verstärkt unter anderem das Craving. NAC kann die Übererregung dämpfen und helfen, das Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Was passiert in der Leber bei Alkoholkonsum, wie hilft ACC / NAC?

Die Leber leidet stark unter chronischem Alkoholkonsum: Fettleber, Hepatitis oder Zirrhose können die Folge sein.
NAC reduziert oxidativen Stress und unterstützt die Regeneration der Leber.

Welche Studien gibt es zu ACC / NAC bei Alkoholabhängigkeit?

Es liegen zahlreiche präklinische und klinische Studien vor, die Leberschutz, Reduktion von Craving und
Modulation des Glutamat-Systems belegen.
Beispiele: Dupont et al. (2011, NEJM) zeigen bessere Überlebensraten bei schwerer alkoholischer Hepatitis.
Froehlich et al. (2019) belegen, dass NAC Entzugserscheinungen nach Ethanol-Exposition bei Zebrafischen verhindert.
Tomko et al. (2018) fassen die Datenlage in einem Review zusammen.
Weitere Literatur siehe unten im Beitrag.


Literatur zu N-Acetylcystein (NAC)

  • Dupont, P. et al. (2011). Glucocorticoids plus N-Acetylcysteine in Severe Alcoholic Hepatitis. New England Journal of Medicine.
  • Oja, S. S. et al. (2015). Targeting Glia with N-Acetylcysteine Modulates Brain Glutamate and Behaviors Relevant to Neurodevelopmental Disorders in C57BL/6J Mice. Journal of Neuroscience Research.
  • Schmaal, L. et al. (2012). N-acetylcysteine normalizes glutamate levels in cocaine-dependent patients: a randomized crossover magnetic resonance spectroscopy study. Neuropsychopharmacology.
  • McClure, E. A. et al. (2014). The effect of N-acetylcysteine on brain glutamate and gamma-aminobutyric acid concentrations in smokers. Nicotine & Tobacco Research.
  • Grant, J. E. et al. (2009). N-Acetylcysteine, a Glutamate Modulator, in the Treatment of Trichotillomania. Archives of General Psychiatry.
  • Gerlach, M. et al. (2016). N-acetylcysteine modulates glutamatergic dysfunction and depressive behavior in Huntington’s disease. Human Molecular Genetics.
  • Tomko, R. L. et al. (2018). N-acetylcysteine: A potential treatment for substance use disorders. Current Psychiatry.
  • Froehlich, J. C. et al. (2019). Withdrawal effects following repeated ethanol exposure are prevented by N-acetylcysteine in zebrafish. Progress in Neuro-Psychopharmacology & Biological Psychiatry.
  • Squeglia, L. M. et al. (2018). N-Acetylcysteine Reduces Alcohol Use in Adults with Cannabis Use Disorder. American Journal of Psychiatry.
  • Aydin, A. F. et al. (2016). N-acetylcysteine attenuates alcohol-induced oxidative stress in the rat. World Journal of Gastroenterology.
  • Wang, S. J. et al. (2006). A dual effect of N-acetylcysteine on acute ethanol-induced liver damage in mice. Hepatology Research.
  • Forlano, R. et al. (2024). Repurposing N-acetylcysteine for management of non-acetaminophen induced acute liver failure: an evidence-based review. Translational Gastroenterology and Hepatology.

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Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé

Dr. med. Bernd Guzek

Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé

Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.


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