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Videoblog: Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker?

Einmal Alkoholiker – immer Alkoholiker? Gaby Guzek erklärt, warum dieser alte Satz nicht mehr gilt – und was moderne Neurobiologie und WHO wirklich sagen.

Einmal Alkoholiker – immer Alkoholiker?

Von Gaby Guzek

Transkript von Gaby Guzeks Video: Einmal Alkoholiker – immer Alkoholiker?

Heute mal auf meinem Abendspaziergang. Den musste ich machen, weil ich wütend war, stinkewütend. Ich habe mich gerade wieder mit so einem Idioten auf Facebook gefetzt, wenn ich das mal so gestehen darf. Nun gibt’s genügend Idioten auf Facebook, mit denen muss man sich nicht alle fetzen, aber das war ein Suchtberater und das Ganze entzündete sich an seiner Aussage “immer Alkoholiker, wenn man einer einmal einer war”.

Der Satz war vor 85 Jahren vielleicht aktuell

Also: einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker, das stimmt aber nicht.

Und warum regt mich das so auf? Weil ich selbst wegen dieses verdammten Satzes mir viel zu lange keine Hilfe geholt habe, weil ich dachte, ja, also wenn ich mir das jetzt eingestehe, dass ich ein Alkoholproblem habe, dann bin ich ja mein Leben lang krank und immer Alkoholiker und oh Gott, oh Gott, oh Gott, oh Gott, na, dann gucke ich da lieber gar nicht erst hin. Hätte mir mal damals einer gesagt, dass das kompletter Blödsinn ist, wisst ihr, woher das kommt? Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker von Jellinek aus den 1940er Jahren. 40er, richtig gehört.

Dann haben es die anonymen Alkoholiker übernommen und auch in die Medizin fand das ganze dann Eingang bis 1970, 80 oder noch ein bisschen länger. Jellinek hat auch gesagt, Alkoholismus ist eine chronische tödliche Erkrankung. Boah, mal ein bisschen genauer hingeguckt. Selbst die WHO sagt, das Alkoholmissbrauch oder Substanzmissbrauch allgemein ein Syndrom ist.

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WHO: Alkoholmissbrauch ist ein Syndrom

Was ist ein Syndrom? Das ist eine Anhäufung von Symptomen, die nicht zwingend dieselbe Ursache haben müssen oder deren Ursache man noch nicht kennt. Soweit die WHO. Auf jeden Fall nicht chronisch, nicht unheilbar und gar tödlich. Neurobiologisch ist das Ganze mindestens genauso schwachsinnig, weil ähm auch gut, damals wusste man das alles noch nicht, aber die Forschung ist ja nun schon mal weiter und das auch schon lange. Man kennt das Phänomen der Neuroplastizität, das heißt, dass das Gehirn sich ständig wandelt, was man früher dachte, Babys werden mit Verkabelungen geboren und die bleiben so, bis sie sterben.

Na, das ist nicht so, unser Gehirn passt sich permanent an. Das ist z.B. der Grund, warum Schlaganfallspatienten nach Ausfall ihres Sprachzentrums dann doch wieder reden können, eben weil das Gehirn dann neue Wege findet. So und genauso ist das dann auch mit dem Suchtgedächtnis. Also heißt, ich bin zwar drauf konditioniert sozusagen abends im Sonnenuntergang zu trinken oder wenn ich mich mit meinem Partner gestritten habe oder was weiß ich, wenn die Tannen grün sind. Das war immer mein Anlass.

Aber das kann ich auch wieder wegbringen, indem ich das schlicht untergreifend überschreibe. Das heißt, ich mache es oft genug anders ohne Alkohol und merke, das geht. Im Gegenteil, es geht sogar viel besser. Dann ist auch dieser Weg, sagen wir mal Autobahn dazu, kräftig zugewachsen. Das ist dann nur noch ein Trampelfahrt. Heißt aber nicht, dass er ganz weg ist, aber das ist eben das kleine Restchen, was da bleibt, dass solche Wege halt auch leicht reaktivierbar sind.

Alkoholismus ist keine chronische Erkrankung

Aber es ist keine chronische Erkrankung. Das steht mal fest. Ich finde, das ist rein vom Ansatz her schon mal echt eine gute Nachricht, weil wie gesagt, mir hat’s den Weg zur Genesung wirklich jahrelang versperrt. Und übrigens, wo wir gerade dabei sind, Thema Sprache und warum man oder ich ja alle wahrscheinlich so lange damit hadern, sich als jemanden zu bezeichnen, der ein Alkoholproblem hat. Das sind ja auch alle Begriffe, die da so mit dran hängen, wenn das anders werden soll.

Also lebenslange Abstinenz, das ist so spannend wie Zölibat. Ja, lasst uns alle ins Kloster rennen. Äh, nüchtern. Ich bleib mein Leben lang nüchtern. Oh, der Partylöwe. Also, das hat alles den Charme von Packpapier. Das ist auch wieder dahinter steckt diese uralte medizinisch falsche Vorstellung, dass man ein Leben lang eben auf etwas verzichten muss, um gesund zu werden. Das wäre doch echt mal cool, wenn man sowas wie lebenslange Abstinenz austauschen würde, z.B. mit Rückgewinnung der Entscheidungsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, Freiheit, Freude, das ist nämlich alles das, was man bekommt, wenn man kein Alkohol trinkt und nicht lebenslange Abstinenz.

Das war mal wieder ein Reel von Alkohol adé, nicht geschüttelt und nicht gerührt. Wenn ihr auch der Meinung seid, dass jemand vielleicht dieses Real anschauen sollte oder ihr das allgemein spannend findet, dann teilt es gerne auf den sozialen Medien, verschickt es weiter. Ich würde mich freuen und bis zum nächsten Mal. Tschüss!

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Bild: Gaby Guzek vor leeren Weingläsern,

Gaby Guzek

Ehemalige Betroffene, Bestsellerautorin, Coach & Mitbegründerin von Alkohol adé

Hat es sich zum Ziel gesetzt, die Neurobiologie der Sucht bekannter zu machen und damit Betroffenen Schuld- und Schamgefühle zu nehmen.


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