Dieses Gedicht schrieb eine anonyme junge Frau in unserem Forum, nachdem sie sich selbst soweit stabilisiert hatte, dass Sie anderen helfen konnte, die noch nicht so weit sind wie sie.
Mit freundlicher Genehmigung von “nutzername95”
Alkohol
du Dieb meiner Sinne.
Wenn du bei mir bist,
spaziere ich auf einer Klinge.
Ständig auf der Hut,
ständig in Sorge
zu fallen
und mich zu schneiden.
Ein sehr schmaler Weg,
Messers Schneide.
Lässt mir nicht viel Spielraum,
ein falscher Schritt
und ich bin deine.
Wenn ich denke, ich sei frei,
zählst du nur bis drei,
und ich mach‘ mich für dich klein.
Folgst mir auf Schritt und Tritt,
überall hin musst du mit,
denn es könnt ja sein,
dass ich mich wieder
fühle allein.
Jahrelang
kennen wir uns schon,
vertraue dir blind,
du machst das schon.
Geht’s mir nicht gut,
bist du für mich da.
Selbst im Schlaf,
bist du mir nah.
Aber es wird Zeit, dass ich alleine steh,
alleine mit meinen Problemen umgeh‘.
Lass mich los, lass mich gehn‘,
ich möchte die Welt mit meinen Augen sehn‘.
Du klammerst an mir, hast nur mich,
redest mich schlecht, ich ließe dich im Stich.
Lasse dich los, schwebst davon,
schaue nicht zurück, denn mein Weg geht nach vorn‘.
Nun stehe ich hier, alleine mit mir,
überfordert mit den Dingen,
die der Alkohol konnte bezwingen.
Mache kleine Schritte,
keine Eile,
genieße die Welt, mit nur einer Bitte:
Bleib stark.
Er wird nach mir rufen,
er wird nach mir schreien,
auch nach mir greifen
und meine Gefühle versteifen.
Eine große Lücke
hat er hinterlassen,
die ich mit Dingen füllen kann,
die ich durch ihn damals verpasste.
Der Wille ist da, ich will ihn nicht mehr,
ich will endlich leben, so unglaublich sehr.
Hab keine Lust mehr
auf mein müdes Gesicht,
auf meine schweren Beine
die ich fälschlich akzeptierte als meine.
Tag für Tag,
füllt sich die Lücke,
kann es nicht beschreiben,
ich könnt vor Freude weinen.
Ich fühle mich wieder,
ich fühle mich stark,
bin konzentrierter,
endlich autark.
Alkohol
Ich weiß, du bist noch da,
das ist auch in Ordnung,
du bleibst Teil von mir,
das ist mir klar.
Doch ich sehe dich nun anders.
Habe keine Angst mehr vor dir.
Ich weiß wer du bist,
wie du tickst,
wie du handelst,
wie du die Gedanken ummantelst.
Streckst immer wieder die Hand nach mir aus,
ich greife nach ihr und sage dir:
Ich brauche dich nicht mehr.
Danke ich dir,
für die Zeit bei mir,
doch ohne dich,
bin ich
so viel mehr
einfach glücklich.
Bild von Asimina Nteliou auf Pixabay