Alkoholentzug: Tiefgreifende Störung im Gehirn #
Entzugssymptome entstehen, wenn der Körper nach längerer oder intensiver Einnahme einer suchterzeugenden Substanz abrupt auf deren Fehlen reagieren muss. Beim Alkoholentzug zeigt sich darin eine tiefgreifende Störung des Gleichgewichts im Gehirn. Über viele Monate oder Jahre hat sich das Nervensystem an die dämpfende Wirkung des Alkohols gewöhnt und seine erregenden Systeme – etwa Glutamat und Noradrenalin – immer weiter hochgefahren. Wird der Alkohol plötzlich weggelassen, überwiegt die Erregung. Das vegetative Nervensystem läuft auf Hochtouren, Herzfrequenz, Blutdruck und Schweißproduktion steigen, die Reizschwelle sinkt dramatisch.
Die Symptome können sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Manche Menschen verspüren nur Nervosität, innere Unruhe und leichtes Zittern. Andere entwickeln schwere Verläufe mit Halluzinationen, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen. Typischerweise beginnen die Beschwerden 6 bis 12 Stunden nach dem letzten Alkoholkonsum, erreichen nach 24 bis 72 Stunden ihren Höhepunkt und klingen dann schrittweise ab.
Bei langjähriger Abhängigkeit kann sich aus dem einfachen Entzug ein sogenanntes Prädelir oder – in seiner gefährlichsten Form – ein Delirium tremens entwickeln. Beide gelten als medizinische Notfälle und müssen stationär behandelt werden.
Gegenüberstellung: Typische Entzugssymptome beim Prädelir und Delirium tremens #
Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Symptome im Vergleich zwischen Prädelir und Delirium tremens.
| Symptom | Typisch bei Prädelir | Typisch bei Delirium tremens |
|---|---|---|
| Zittern (Tremor) | häufig | stark ausgeprägt |
| Schlaflosigkeit, Unruhe | häufig | massiv, mit Angstzuständen |
| Schwitzen, Pulsanstieg | deutlich | sehr stark, mit Fieber möglich |
| Blutdruckanstieg | mäßig | stark, teils gefährlich |
| Angst, Gereiztheit | häufig | bis hin zu Panik und Wahn |
| Halluzinationen | selten, flüchtig | typisch, meist optisch (z. B. „weiße Mäuse“) |
| Orientierungsstörungen | gelegentlich | ausgeprägt, Tag-Nacht-Umkehr |
| Krampfanfälle | möglich | häufig, teils lebensbedrohlich |
| Bewusstseinsstörungen | nein | ja, bis hin zum Koma |
Das Ausmaß der Entzugssymptome hängt stark von der Trinkmenge, der Dauer der Abhängigkeit und vom körperlichen Allgemeinzustand ab. Wiederholte Entzüge können die Empfindlichkeit des Gehirns dauerhaft steigern – ein Vorgang, der als Kindling-Effekt bezeichnet wird. Dabei reagiert das Nervensystem mit jedem weiteren Entzug heftiger, sodass selbst kleine Mengen Alkoholmangel schwere Symptome auslösen können.
Ein schwerer Alkoholentzug gehört immer in ärztliche Hände. Bei Zittern, Halluzinationen, Krampfanfällen oder Verwirrtheit besteht Lebensgefahr. Auch leichtere Entzüge sollten ärztlich begleitet werden, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln.
FAQ – häufig gestellte Fragen #
Wie lange dauern Entzugssymptome?
Leichte Entzugssymptome wie Unruhe, Schwitzen oder Zittern beginnen meist 6–12 Stunden nach dem letzten Alkoholkonsum und klingen nach 3 bis 5 Tagen ab. Bei schweren Verläufen mit Prädelir oder Delirium tremens kann sich der Verlauf über ein bis zwei Wochen hinziehen.
Wann wird der Entzug gefährlich?
Wenn Halluzinationen, Krampfanfälle, Desorientierung oder starke vegetative Symptome auftreten, besteht Lebensgefahr. Dann ist sofortige stationäre Behandlung erforderlich.
Was kann man gegen Entzugssymptome tun?
Bei leichten Entzügen können Ruhe, Flüssigkeitszufuhr, Elektrolyte und ggf. ärztlich verordnete Medikamente wie Benzodiazepine oder Clomethiazol helfen. Eigenversuche ohne medizinische Begleitung sind jedoch riskant.
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.