Kurzzusammenfassung: Alkohol treibt den Blutdruck vor allem nach dem Trinken und im Entzug nach oben; dauerhaft erhöht er das Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt und Rhythmusstörungen – Abstinenz senkt die Werte oft binnen 2–4 Wochen.
Blutdruck & Alkohol: Mehrstufige Wirkung #
Alkoholkonsum wirkt auf das Herz-Kreislauf-System komplex und mehrstufig. Kurzfristig kann Alkohol die Gefäße erweitern, wodurch der Blutdruck zunächst leicht sinkt. Nach dieser kurzen Entspannungsphase überwiegen jedoch gegenteilige Effekte: Der Sympathikus wird aktiviert, Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin steigen an, Herzfrequenz und Gefäßwiderstand nehmen zu. Besonders in den Stunden nach dem Trinken führt dies häufig zu einem Anstieg des Blutdrucks.
Bei regelmäßigem oder starkem Alkoholkonsum kommt es zu einer dauerhaften Stimulation des sympathischen Nervensystems. Gleichzeitig wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) überaktiv, wodurch die Niere vermehrt Natrium und Wasser zurückhält. Diese Kombination aus erhöhter Herzfrequenz, Gefäßverengung und Flüssigkeitsretention lässt den Blutdruck chronisch ansteigen. Bis zu zwei Drittel aller Alkoholabhängigen haben eine arterielle Hypertonie, die sich nach Abstinenz oft deutlich bessert.
Schon moderater Konsum – etwa zwei Standardgetränke täglich – kann den Blutdruck messbar erhöhen, vor allem bei empfindlichen Personen oder solchen mit bereits grenzwertigen Werten. Bei Männern steigt das Risiko ab etwa 30 g Alkohol täglich, bei Frauen ab rund 20 g. Ein typischer „Feierabendwein“ über längere Zeit genügt also, um den Blutdruck dauerhaft zu beeinflussen.
Blutdruck im Alkoholentzug #
Während des Entzugs kehrt sich die zuvor gedämpfte Regulation abrupt um: Der plötzliche Wegfall des Alkohols entzieht dem Gehirn die gewohnte GABA-ähnliche Dämpfung. Glutamatsystem und Sympathikus überschießen, Cortisol und Katecholamine schnellen hoch. Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck kann dramatisch steigen, manchmal bis in gefährliche Bereiche. Krampfanfälle, Rhythmusstörungen oder hypertensive Krisen sind mögliche Folgen, insbesondere bei unbehandeltem Entzug.
Der Blutdruck als Risikofaktor im Entzug: Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck erhöht im Alkoholentzug die Gefahr schwerer Komplikationen erheblich. Patienten mit Hypertonie reagieren auf die sympathische Übererregung besonders empfindlich. Bei ihnen steigt das Risiko für hypertensive Entgleisungen, akute Herzinsuffizienz, Myokardinfarkte und Schlaganfälle. In der Entzugsmedizin gilt daher eine engmaschige Kontrolle des Blutdrucks als Pflicht – insbesondere in den ersten 48 Stunden, wenn die autonomen Schwankungen am stärksten sind. Auch scheinbar „mäßige“ Blutdruckanstiege können Vorboten eines drohenden Delirs sein, da sie den Übergang von vegetativer Übererregung zu Krampfbereitschaft und Bewusstseinsstörungen anzeigen. Wird der Blutdruck rechtzeitig stabilisiert – etwa mit Clonidin, Betablockern oder Benzodiazepinen – sinkt nicht nur das Risiko akuter Komplikationen, sondern auch die Belastung des Herzens in der Phase erhöhter Kreislaufaktivität.
Langzeitfolgen und Risiken #
Langfristig führt chronischer Alkoholkonsum zu einer erhöhten Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen. Epidemiologische Studien zeigen ein deutlich gesteigertes Risiko für Schlaganfälle (hämorrhagisch wie ischämisch), Herzinfarkte, Vorhofflimmern und Lungenembolien. Das Risiko steigt mit der Dosis und ist bei regelmäßigem starken Konsum bis zu doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Bereits ein Absetzen oder deutliche Reduktion des Alkohols senkt den Blutdruck häufig innerhalb von zwei bis vier Wochen und verringert auch das Schlaganfallrisiko.
Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck kann im Alkoholentzug lebensgefährlich werden. Daher sollten Betroffene Entzugsphasen nie ohne ärztliche Begleitung durchführen. Selbstmedikation ist riskant und kann zu schweren Komplikationen führen.
- Erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte
- Entwicklung oder Verschlechterung einer Herzschwäche
- Zunahme von Herzrhythmusstörungen (v. a. Vorhofflimmern)
- Schädigung der Nieren durch chronische Hypertonie
- Erhöhte Sterblichkeit bei unbehandeltem Bluthochdruck
Häufige Fragen (FAQ) #
Steigt der Blutdruck schon bei mäßigem Alkoholkonsum?
Ja. Schon kleine Mengen – etwa zwei Standardgläser täglich – können den Blutdruck anheben, besonders bei Menschen mit bereits grenzwertigen Werten.
Warum ist der Blutdruck im Entzug so gefährlich?
Der Körper reagiert auf den plötzlichen Wegfall des Alkohols mit überschießender Stresshormon-Ausschüttung. Das treibt den Blutdruck stark nach oben und kann zu Krampfanfällen oder Schlaganfällen führen.
Wie schnell normalisiert sich der Blutdruck nach Alkoholverzicht?
In vielen Fällen bessert sich der Blutdruck innerhalb von zwei bis vier Wochen deutlich, sofern keine andere Grunderkrankung besteht.
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.