Funktion und Bedeutung im Körper #
NAD⁺ steht für Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid – ein lebenswichtiges Coenzym, das in jeder Körperzelle vorkommt. Chemisch gesehen besteht es aus zwei Nukleotiden, die über ihre Phosphatgruppen verbunden sind. In seiner aktiven Form (NAD⁺) nimmt es Elektronen auf und wird dabei zu NADH reduziert. Diese Umwandlung ist ein Grundprinzip des gesamten Zellstoffwechsels: NAD⁺ wirkt wie eine wiederaufladbare Batterie, die Energieflüsse zwischen Nährstoffen und Mitochondrien ermöglicht.
In den Mitochondrien ist NAD⁺ unverzichtbar für den Citratzyklus und die Atmungskette. Dort überträgt NADH Elektronen auf Sauerstoff, wodurch ATP – die universelle Energieeinheit der Zelle – entsteht.
Darüber hinaus spielt NAD⁺ eine zentrale Rolle bei Reparatur- und Alterungsprozessen: Es ist notwendig für die Aktivität der Sirtuine (eine Gruppe von Enzymen, die man sich als eine Art zelluläre „Wartungscrew“ vorstellen kann) und der PARP-Enzyme, die DNA-Schäden reparieren und die Lebensdauer von Zellen verlängern.
NAD⁺ und Redoxgleichgewicht #
Das Verhältnis von NAD⁺ zu NADH steuert die „Redoxlage“ der Zelle. Ein hoher NAD⁺-Spiegel fördert oxidativen Stoffwechsel und Energieproduktion, während ein Übermaß an NADH zu Stoffwechselstau führen kann.
Dieses Gleichgewicht beeinflusst viele Systeme – von der Blutzuckerregulation bis zur Aktivität des Nervensystems.
NAD⁺ im Alkoholstoffwechsel #
Beim Abbau von Alkohol spielt NAD⁺ eine Hauptrolle. In der Leber wandelt die Alkoholdehydrogenase (ADH) Ethanol zu Acetaldehyd um. Dabei wird NAD⁺ verbraucht und in NADH umgewandelt:
Ethanol + NAD⁺ → Acetaldehyd + NADH + H⁺
Anschließend oxidiert die Aldehyddehydrogenase (ALDH) das giftige Acetaldehyd zu Essigsäure, wobei erneut NAD⁺ benötigt wird.
Das bedeutet: Jeder Schritt des Alkoholabbaus zehrt an den NAD⁺-Speichern der Leber.
Wird regelmäßig oder übermäßig Alkohol konsumiert, steigt der NADH-Spiegel deutlich an. Dadurch verschiebt sich das Gleichgewicht – mit weitreichenden Folgen:
- Fettsäuren können nicht mehr effizient abgebaut werden → Fettleberbildung
- Milchsäure häuft sich an → Laktatazidose-Neigung
- Blutzucker sinkt → Hypoglykämien, insbesondere bei Nüchternheit
- Mitochondriale Energieproduktion verlangsamt sich → Erschöpfung und Muskelschwäche
Chronischer Alkoholkonsum führt somit nicht nur zu einem toxischen Acetaldehyd-Überschuss, sondern auch zu einer Erschöpfung des NAD⁺-Systems – mit Folgen für nahezu alle Stoffwechselwege.
Ein ausgeglichener NAD⁺/NADH-Haushalt ist für den gesamten Energiestoffwechsel entscheidend. Übermäßiger Alkoholkonsum kann dieses Gleichgewicht massiv stören – die Leber arbeitet dann im „Notmodus“, und die Energieproduktion des Körpers bricht teilweise ein.
NAD⁺ im Alkoholentzug #
Nach Absetzen von Alkohol muss das Stoffwechselgleichgewicht mühsam wiederhergestellt werden. Während der Entgiftung sind die NAD⁺-Speicher oft erschöpft.
Die Folge: Das Gehirn läuft energetisch auf Sparflamme, obwohl der Sauerstoffgehalt normal ist. Viele Betroffene klagen in dieser Phase über Erschöpfung, Reizbarkeit, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme – klassische Zeichen eines energetischen Defizits im Nervensystem.
Die Leber regeneriert ihren NAD⁺-Haushalt zwar relativ rasch, doch im zentralen Nervensystem dauert die Normalisierung länger. Studien zeigen, dass sich NAD⁺-abhängige Enzyme wie Sirtuine und PARP-1 erst Wochen bis Monate nach Alkoholstopp wieder stabilisieren. In dieser Zeit kommt es häufig zu Stimmungstiefs und Antriebsmangel, was den Rückfalldruck erhöhen kann.
- chronische Erschöpfung und schnelle geistige Ermüdung
- verminderte Stressresistenz und Antriebslosigkeit
- Konzentrationsstörungen („Brain Fog“)
- Schlafstörungen und innere Unruhe
- verminderte Regeneration nach Alkohol oder Belastung
- erhöhte Anfälligkeit für Infekte und Entzündungen
- langsamerer Muskelaufbau und Muskelschwäche
- beschleunigte Hautalterung, trockene oder fahle Haut
Diese Symptome sind unspezifisch, treten aber häufig bei Erschöpfung des NAD⁺-Systems auf – etwa nach längerem Alkoholgebrauch, Stress oder Schlafmangel. Eine labordiagnostische Bestimmung des NAD⁺-Spiegels ist bislang nur in Speziallaboren möglich.
Therapeutische Ansätze mit NAD⁺ #
NAD⁺-Infusionen #
Einige Entzugskliniken setzen NAD⁺-Infusionen ein, um den Energiestoffwechsel zu aktivieren und Entzugssymptome zu lindern. Die berichteten Effekte umfassen schnellere Erholung, klareren Kopf und weniger Erschöpfung. Die wissenschaftliche Beweislage ist jedoch noch begrenzt: kontrollierte Studien sind selten, die Ergebnisse uneinheitlich.
Bekannt ist, dass intravenöses NAD⁺ den Zellstoffwechsel kurzfristig stimuliert, doch unklar bleibt, wie viel davon das Gehirn tatsächlich erreicht. Auch mögliche Nebenwirkungen – etwa Kopfdruck, Übelkeit oder Blutdruckschwankungen – sollten berücksichtigt werden.
Eine Infusionstherapie gehört daher ausschließlich in ärztliche Hände.
NAD⁺-Vorstufen in Nahrungsergänzung #
Deutlich besser untersucht sind Substanzen, die den NAD⁺-Spiegel indirekt erhöhen, etwa:
- Niacinamid (Vitamin B₃)
- Nicotinamid-Ribosid (NR)
- Nicotinamid-Mononukleotid (NMN)
Diese Moleküle können im Körper zu NAD⁺ umgewandelt werden. In Tierversuchen verbesserten sie mitochondrialen Stoffwechsel und Zellreparatur; beim Menschen zeigen kleine Studien Hinweise auf bessere Energie, Konzentration und Schlafqualität.
Auch hier gilt: Datenlage vielversprechend, aber nicht abschließend.
Das körpereigene NAD⁺-System lässt sich auf natürliche Weise stärken: ausreichender Schlaf, Bewegung, Fastenphasen und der Verzicht auf Alkohol fördern die Neubildung. Eine ausgewogene Ernährung mit Niacin- und Tryptophan-reichen Lebensmitteln unterstützt zusätzlich die NAD⁺-Synthese.
Wie lässt sich das NAD⁺-System natürlich unterstützen? #
- Niacin, Nicotinamid und Tryptophan Diese Substanzen sind Vorläufer der NAD⁺-Synthese. Gute Quellen: Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte, Vollkorn, Pilze.
- Fasten und Energieeffizienz Kurzzeitfasten (z. B. 16:8-Rhythmus) steigert das NAD⁺-Verhältnis und aktiviert Sirtuine – Enzyme, die Zellalterung bremsen.
- Bewegung Regelmäßige aerobe Aktivität erhöht die NAD⁺-Produktion in den Mitochondrien.
- Antioxidativer Schutz Pflanzliche Antioxidantien wie Curcumin, Resveratrol und grüner Tee schützen NAD⁺-abhängige Enzyme vor oxidativem Stress.
- Alkoholverzicht Die wichtigste Einzelmaßnahme: Schon wenige alkoholfreie Wochen normalisieren das Redoxgleichgewicht und füllen die NAD⁺-Speicher auf.
FAQ – häufige Fragen zu NAD⁺ / NADH #
Hilft NAD⁺ im Alkoholentzug?
Viele Entzugskliniken berichten positive Erfahrungen mit NAD⁺-Infusionen. Sie können Erschöpfung und Stimmungstiefs lindern, doch wissenschaftliche Beweise sind noch begrenzt.
Unter ärztlicher Aufsicht gelten sie als gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen sind Kopfdruck, Übelkeit oder Blutdruckveränderungen. Selbstanwendungen sind nicht empfehlenswert.Sind NAD⁺-Infusionen sicher?
Durch Niacin-reiche Ernährung, Bewegung, Fastenphasen und konsequenten Alkoholverzicht. Diese Maßnahmen aktivieren die körpereigene NAD⁺-Produktion auf natürliche Weise.Wie kann man den NAD⁺-Spiegel natürlich steigern?
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.