Das NMDA-Rezeptorsystem ist Teil der glutamatergen Signalübertragung im Gehirn. Benannt nach dem künstlichen Agonisten N-Methyl-D-Aspartat (NMDA), gehört dieser Rezeptortyp zur Familie der ionotropen Glutamatrezeptoren. Er spielt eine Schlüsselrolle bei Lernen, Gedächtnis und synaptischer Plastizität. Ausgeschrieben heißt das N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor, aber wir lassen es mal bei NMDA.
Aufbau und Funktionsweise #
Der NMDA-Rezeptor ist ein ligand- und spannungsabhängiger Ionenkanal. Damit er sich öffnet, müssen zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:
- Bindung des Neurotransmitters Glutamat (und des Co-Agonisten Glycin oder D-Serin)
- Depolarisation der postsynaptischen Membran, um den blockierenden Magnesium-Ion („Mg²⁺-Block“) zu entfernen
Ist der Kanal aktiv, strömen Calcium-, Natrium- und Kaliumionen durch die Membran. Besonders der Calcium-Einstrom löst intrazelluläre Signalprozesse aus, die die Stärke von Synapsen verändern.
Physiologische Bedeutung #
- Lernen und Gedächtnis: Der NMDA-Rezeptor gilt als zentral für die Langzeitpotenzierung (LTP), einen zellulären Mechanismus des Gedächtnisses.
- Neuronale Entwicklung: Steuerung von Synapsenbildung und Verschaltung in der frühen Kindheit.
- Schmerzverarbeitung: Beteiligung an zentraler Sensibilisierung bei chronischen Schmerzen.
Pathophysiologische Aspekte #
Eine Fehlregulation des NMDA-Rezeptorsystems kann gravierende Folgen haben:
- Übererregung (Exzitotoxizität): Übermäßige Calcium-Ströme können Nervenzellen schädigen und sind an Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma und neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Alzheimer, ALS) beteiligt.
- Psychiatrische Erkrankungen: Dysfunktionen stehen im Zusammenhang mit Depressionen, Schizophrenie und Sucht. Substanzen wie Ketamin wirken als NMDA-Antagonisten und werden sowohl in der Anästhesie als auch experimentell in der Depressionsbehandlung eingesetzt.
- Autoimmunerkrankungen: Bei der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis greifen Antikörper die Rezeptoren an, was zu schweren neurologischen und psychiatrischen Symptomen führt.
Eine Überaktivierung des NMDA-Rezeptorsystems kann Nervenzellen dauerhaft schädigen. Umgekehrt führen Blockaden oder Antikörperreaktionen zu schwerwiegenden Funktionsstörungen. Therapien in diesem Bereich gehören ausschließlich in ärztliche Hand.
Wichtige Quellen #
- Collingridge GL, Volianskis A, Bannister N, et al. The NMDA receptor as a target for cognitive enhancement. Neuropharmacology. 2013;64:13–26.
- Paoletti P, Bellone C, Zhou Q. NMDA receptor subunit diversity: impact on receptor properties, synaptic plasticity and disease. Nat Rev Neurosci. 2013;14(6):383–400.
- Dalmau J, Armangué T, Planagumà J, et al. An update on anti-NMDA receptor encephalitis for neurologists and psychiatrists: mechanisms and models. Lancet Neurol. 2019;18(11):1045–1057.
- Zorumski CF, Izumi Y, Mennerick S. NMDA receptors and neuropsychiatric disorders: shedding light on complex disease. Mol Psychiatry. 2016;21(11):1499–1501.
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.