Dr. Mark Willenbring ist ein US-amerikanischer Psychiater und Suchtforscher, der die traditionelle Vorstellung von Alkoholabhängigkeit als „chronisch-progressive Krankheit“ grundlegend in Frage stellt. Er war langjähriger Forschungsdirektor am National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism (NIAAA) und gründete später das Behandlungszentrum Alltyr Clinic in Minnesota. Seine Arbeiten und öffentlichen Auftritte gelten als Meilenstein für ein modernes, biopsychosoziales Verständnis von Alkoholsucht.
In einem Interview sagte Willenbring sinngemäß, die bestehende Suchthilfestruktur müsse „mit Bulldozer und Dynamit neu aufgebaut“ werden. Der Interviewer bezog sich dabei auf das veraltete Fundament des Behandlungssystems, das Willenbring bestätigte: Das aktuelle Modell sei in den 1940er-Jahren entstanden und habe sich seither kaum verändert. Schon die ersten Behandlungsprogramme hätten vor allem als Einführung in die Anonyme-Alkoholiker-Bewegung gedient. Das Gespräch wurde vollständig transkribiert und gemeinsam mit der Original-Videodatei archiviert. Beide Quellen sind gesichert und können auf Anfrage eingesehen werden.
Willenbring kritisiert die strikte Abstinenzorientierung vieler Therapien, die auf das von E. M. Jellinek zurückgehende Krankheitsmodell zurückgeht. Nach seiner Auffassung ist Alkoholabhängigkeit keine einheitliche, unheilbare Krankheit, sondern ein Spektrum von Verhaltensstörungen mit unterschiedlichen biologischen und psychischen Ursachen. Ziel müsse sein, individuelle Strategien zur Schadensminderung, Kontrolle und Lebensqualität zu fördern – nicht zwangsläufig vollständige Abstinenz.
Er fordert, Alkoholabhängigkeit stärker wie andere chronische Gesundheitsprobleme zu behandeln – mit kontinuierlicher, evidenzbasierter Unterstützung statt zeitlich begrenzter „Therapien“. Medikamente wie Naltrexon, Acamprosat oder Baclofen können seiner Ansicht nach ebenso Teil einer erfolgreichen Behandlung sein wie psychotherapeutische und verhaltensorientierte Ansätze. Zwangsfreie Motivation, Respekt vor Selbstbestimmung und realistische Zwischenziele stehen im Vordergrund.
Eine wichtige empirische Grundlage seiner Kritik bildet die sogenannte NESARC-Studie (National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions), eine großangelegte Untersuchung des NIAAA. Sie zeigte, dass Alkoholabhängigkeit in der US-Bevölkerung deutlich häufiger vorkommt als bisher angenommen – und zugleich, dass sie in den meisten Fällen spontan oder mit moderater Unterstützung remittiert. Rund 72 Prozent der Befragten mit lebenszeitlicher Alkoholabhängigkeit berichteten nur eine Episode, meist von drei bis vier Jahren Dauer, ohne spätere Rückfälle. Diese Ergebnisse widersprechen der Annahme einer zwangsläufig chronisch-progredienten Erkrankung. Willenbring sieht darin einen klaren Beleg dafür, dass das gängige Bild der „unheilbaren Krankheit“ empirisch nicht haltbar ist und viele Betroffene ihr Trinkverhalten dauerhaft verändern können, ohne vollständig abstinent zu werden.
Das klassische Modell von E. M. Jellinek mit der Vorstellung eines unumkehrbaren Kontrollverlusts hält Willenbring deshalb für überholt. Das von den „12 Schritten“ geprägte Behandlungssystem betrachtet er als ein kulturell gewachsenes, aber wissenschaftlich unzureichendes Paradigma. Statt moralischer Kategorien und Gruppenrituale fordert er differenzierte, medizinisch fundierte und individualisierte Behandlungspfade.
Willenbrings Positionen haben die Diskussion über moderne Suchtbehandlung stark beeinflusst. Seine Vorträge und Veröffentlichungen werden international rezipiert, auch wenn sie in traditionellen Suchthilfestrukturen auf Widerstand stoßen. In den USA hat sein Ansatz wesentlich zur Etablierung individualisierter und medikamentenunterstützter Therapien beigetragen.
Der grundlegende Aufsatz von Mark Willenbring, in dem er seine Position zur Alkoholabhängigkeit als veränderbare Verhaltensstörung darlegt, war zwischenzeitlich in der National Library of Medicine nicht verfügbar. Auch dieser Text wurde archiviert und kann bei Bedarf angefordert werden. Damit sind sowohl die zentrale schriftliche Quelle als auch das Videointerview für wissenschaftliche und dokumentarische Zwecke gesichert.
Siehe auch: E. M. Jellinek – Entwickler des alten Krankheitsmodells der Alkoholabhängigkeit.
Das Bild vom „Bulldozer und Dynamit“ stammt aus einem Interview, in dem Willenbring betonte, dass die Suchthilfe von Grund auf neu aufgebaut werden müsse. Das aktuelle Behandlungssystem sei in den 1940er-Jahren entstanden und habe sich seither kaum verändert. Das Interview und sein Transkript sind archiviert und können bei Bedarf eingesehen werden.Was meinte Mark Willenbring mit dem „Bulldozer“-Zitat?
Die NESARC-Studie des NIAAA ergab, dass etwa 30 Prozent der erwachsenen US-Bevölkerung irgendwann im Leben Kriterien einer Alkoholgebrauchsstörung erfüllen. Rund 72 Prozent hatten jedoch nur eine Episode, meist von drei bis vier Jahren Dauer, und blieben danach dauerhaft stabil – oft ohne Therapie. Diese Daten widerlegen die Vorstellung einer zwangsläufig chronischen Erkrankung.Was zeigte die NESARC-Studie über Alkoholabhängigkeit?
Er lehnt die Idee einer „unheilbaren Krankheit“ ab und versteht Alkoholabhängigkeit als veränderbares Verhalten mit biologischen, psychischen und sozialen Ursachen. Behandlung bedeutet für ihn individuelle Schadensminderung, nicht moralische Bekehrung.Wie unterscheidet sich Willenbrings Ansatz vom klassischen Suchtmodell?
Willenbring befürwortet den gezielten Einsatz evidenzbasierter Wirkstoffe wie Naltrexon, Acamprosat oder Baclofen. Medikamente sollen Entzugssymptome lindern, Rückfälle verhindern und Betroffenen helfen, ihren Alkoholkonsum besser zu steuern.Welche Rolle spielen Medikamente in Willenbrings Konzept?
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.