Die Wernicke-Enzephalopathie ist eine degenerative Erkrankung des Gehirns im Erwachsenenalter. Sie tritt bei Vitamin-B1-Mangel auf. Sie wurde zuerst bei Alkoholikern beobachtet, bei denen sie auch am häufigsten auftritt. Andere Ursachen können u.a. chronische Darmerkrankungen wie der Morbus Crohn sein.
Der Mangel an Vitamin B1 stört den Kohlehydrat-Stoffwechsel im Gehirn. In der Folge kommt es zu Wassereinlagerungen (Ödemen), später kommt es zu Einblutung und der Bildung kleiner Gefäße an einigen Stellen des Gehirns (Kapillaren) – diese Gehirnteile werden in der Folge dadurch zerstört.
Klassischerweise finden sich drei wesentliche Symptome:
- Ein “hirnorganisches Psychosyndrom” mit Gedächtnisverlust, Psychose, Verwirrung und Konfabulationen: Die Betroffenen spinnen sich durch Fehlfunktionen ihres Gedächtnisses Geschichten, Zusammenhänge und anderes zusammen.
- Gang- und Standunsicherheit
- Augenbewegungsstörungen und Augenmuskellähmungen, u.a. mit Doppeltsehen
Zu Beginn klagen die Betroffenen oft über Doppelbilder, Sprechstörungen, Gangunsicherheit und Kribbeln der Beine. Hinzu kommen können Reflexstörungen, Bewusstseinsstörungen, Apathie und Benommenheit mit abnormer Schläfrigkeit (Somnolenz). Auch die Feinmotorik kann gestört sein. Schluck- und Schlafstörungen werden ebenso beobachtet wie ein niedriger Blutdruck, unternormale Körpertemperatur oder übermäßiges Schwitzen.
Die Behandlung erfolgt durch Gabe hoher Dosen von Thiamin, im Notfall auch intravenös. Regelmäßige Einnahme von Vitamin B1 kann der Erkrankung vorbeugen. Nach neueren Studien kann die Einnahme von Vitamin B1 das Verlangen nach Alkohol senken.
Wernicke-Enzephalopathie als medizinischer Notfall #
Die Wernicke-Enzephalopathie gilt als medizinischer Notfall. Ohne sofortige Gabe von Vitamin B1 (Thiamin) kann die Erkrankung bleibende Schäden hinterlassen oder sogar tödlich verlaufen. Besonders heimtückisch ist, dass sie häufig unerkannt bleibt – viele Symptome wie Verwirrung, Gangunsicherheit oder Augenprobleme werden bei Alkoholikern zunächst dem Rausch oder einem „allgemeinen schlechten Zustand“ zugeschrieben.
Gerade im Krankenhaus ist das ein kritischer Punkt: Bekommt ein Alkoholkranker mit B1-Mangel eine glukosehaltige Infusion, kann sich die Wernicke-Enzephalopathie schlagartig verschlimmern. Deshalb gilt heute der Grundsatz: Zuerst Thiamin, dann Glukose.
Wernicke – medizinischer Notfall
- Akut lebensbedrohlich: Ohne schnelle Thiamin-Gabe drohen bleibende Hirnschäden oder Tod.
- Verwechslungsgefahr: Symptome (Verwirrung, Gangunsicherheit, Augenstörungen) wirken oft wie „Rausch“.
- Merke: Immer zuerst Vitamin B1 (Thiamin) geben – erst danach Glukose!
Hinweis: Die Wernicke-Enzephalopathie tritt am häufigsten bei Alkoholikern auf, wird aber oft übersehen – rechtzeitige Behandlung ist entscheidend.
Langfristig lässt sich die Erkrankung durch eine regelmäßige Supplementierung von Vitamin B1 vermeiden – besonders bei Alkoholikern, aber auch bei Menschen mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen oder nach Operationen am Verdauungstrakt. Neuere Studien zeigen außerdem, dass Vitamin B1 nicht nur schützt, sondern auch das Verlangen nach Alkohol dämpfen kann.
Das Wernicke-Korsakow-Syndrom beschreibt das fortgeschrittene Stadium, in dem die akute Enzephalopathie in eine dauerhafte Gedächtnisstörung (Korsakow-Syndrom) übergeht – ein schwerer, oft irreversibler Schaden.
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.