In der medizinischen Fachsprache wird der Begriff „Alkoholiker“ heute weitgehend durch präzisere Diagnosen ersetzt, etwa durch die Bezeichnungen Alkoholkonsumstörung (Alcohol Use Disorder, AUD) im DSM-5-TR oder Abhängigkeitssyndrom durch Alkohol nach ICD-10 und „schädlicher Gebrauch“ bzw. „Substanzabhängigkeit“ in der ICD-11. Gemeint ist damit eine chronische Störung mit Verlust der Kontrolle über das Trinkverhalten, gekennzeichnet durch anhaltenden oder wiederkehrenden Alkoholkonsum trotz eindeutig negativer körperlicher, psychischer oder sozialer Folgen.
Medizinisch wird nicht eine bestimmte Trinkmenge bewertet, sondern das Vorliegen spezifischer Symptome. Dazu zählen ein starkes Verlangen nach Alkohol, Kontrollverlust, steigende Toleranz, Entzugssymptome, die Einengung des Lebens auf den Konsum und das fortgesetzte Trinken trotz Schäden. Werden ausreichend viele dieser Kriterien über einen definierten Zeitraum erfüllt, liegt eine Alkoholkonsumstörung vor, deren Schweregrad von leicht bis schwer eingestuft wird.
Der Begriff „Alkoholiker“ ist daher keine wissenschaftliche Diagnose, sondern ein historisch gewachsener, umgangssprachlicher Ausdruck. Er beschreibt heute eher einen Menschen, der unter einer medizinisch fassbaren Abhängigkeitserkrankung leidet. Moderne Leitlinien empfehlen eine möglichst entstigmatisierende Sprache und die Verwendung präziser diagnostischer Begriffe.
Die medizinischen Diagnosekriterien #
Moderne Klassifikationen konzentrieren sich auf eindeutige Verhaltens- und Körperreaktionen. Typische Kriterien sind zum Beispiel:
- starkes Verlangen nach Alkohol
- Verlust der Kontrolle über Beginn, Menge oder Ende des Trinkens
- Entzugssymptome bei Reduktion
- steigende Toleranz
- Vernachlässigung anderer Interessen
- fortgesetzter Konsum trotz gesundheitlicher oder sozialer Schäden
Je mehr dieser Merkmale erfüllt sind, desto schwerer ist die Störung.
Ist der Begriff “Alkoholiker” veraltet? #
Der Ausdruck „Alkoholiker“ wird in der medizinischen Fachliteratur zunehmend durch präzisere Diagnosen ersetzt. Außerhalb des akademischen Bereichs – und insbesondere in den Anonymen Alkoholikern – ist der Begriff jedoch weiterhin üblich und fest verankert. Viele Betroffene nutzen ihn bewusst als Selbstbezeichnung. Medizinisch begründete Begriffswahl und sprachliche Alltagspraxis existieren daher parallel, und keine Leitlinie kann diese Realität vollständig ablösen.
Wie entsteht Alkoholabhängigkeit? #
Die Entstehung ist ein Zusammenspiel aus:
- • genetischer Veranlagung
- • Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns
- • sozialen und psychologischen Risikofaktoren
- • regelmäßigen Trinkmustern, die sich verselbstständigen
Je früher der Konsum beginnt und je häufiger er stattfindet, desto höher das Risiko für eine ausgewachsene Abhängigkeit.
Ist „Alkoholiker“ eine medizinische Diagnose?
Nein. Der Begriff ist umgangssprachlich. Die medizinischen Diagnosen heißen „Alkoholkonsumstörung“ (DSM-5-TR) oder „Abhängigkeitssyndrom“ (ICD).
Entscheidend sind typische Symptome wie Kontrollverlust, starkes Verlangen, Toleranzsteigerung, Entzugssymptome und das fortgesetzte Trinken trotz Schäden.Woran erkennt man eine Alkoholabhängigkeit?
Die Menge allein reicht nicht aus. Entscheidend sind die wiederkehrenden Probleme und der Verlust der Kontrolle. Auch Menschen mit vermeintlich normalem Konsum können abhängig sein.Spielt die Trinkmenge eine Rolle?
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.