Natrium im Alkoholentzug – Warum es oft zu tief oder zu hoch ist und warum das gefährlich wird #
Natrium ist das wichtigste extrazelluläre Elektrolyt und entscheidend für Flüssigkeitshaushalt, Nervenleitung und Blutdruck. Bei chronischem Alkoholkonsum und besonders im Entzug treten häufig schwere Natrium-Entgleisungen auf – sowohl Hyponatriämie (zu niedrig) als auch Hypernatriämie (zu hoch) sind typisch und können lebensbedrohlich werden.
Warum kommt es bei Alkoholabhängigkeit und im Entzug zu Natriumstörungen? #
- Bier-Potomanie / „Bier- und Toast-Syndrom“: massiver Konsum natriumarmer Flüssigkeit (Bier, Wasser, Tee) bei gleichzeitig sehr geringer Salzaufnahme → Verdünnungshyponatriämie
- Erbrechen und Durchfälle → direkter Natriumverlust
- Unpassende ADH-Sekretion (SIADH) durch Alkohol, Stress oder Medikamente → Wassereinlagerung und Natriumverdünnung
- Akuter Entzug: abrupter Alkoholstopp → massiver Katecholamin-Anstieg → schnelle Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen → zunächst meist Hyponatriämie, später manchmal Rebound-Hypernatriämie
- Diuretische Phase nach Rehydration: große Mengen natriumfreier Infusionen → weitere Verdünnung
Klinische Folgen #
- Hyponatriämie (< 135 mmol/l)
- Leicht: Kopfschmerz, Übelkeit, Verwirrtheit
- Mittel–schwer (< 125 mmol/l): Krampfanfälle, Hirnödem, Koma
- Schnelle Korrektur → osmotisches Demyclinisierungssyndrom (zentrale pontine Myelinolyse)
- Hypernatriämie (> 145 mmol/l)
- Meist nach zu viel freiem Wasser oder Überkorrektur
- Symptome: starker Durst, Unruhe, Krämpfe, Hirnschrumpfung
Therapie und Vorgehen in der Klinik #
- Tägliche (ggf. häufigere) Natriumkontrolle im stationären Entzug
- Hyponatriämie:
- Leicht/chronisch: Flüssigkeitsrestriktion (0,8–1,0 l/Tag)
- Symptomatisch/schwer: vorsichtige Gabe von hypertoner Kochsalzlösung (3 % NaCl) mit strengen Korrekturgrenzen (max. 6–8 mmol/l in 24 h)
- Hypernatriämie: langsame Korrektur mit hypotonen Lösungen (z. B. Glukose 5 % oder NaCl 0,45 %)
- Prävention: ausgewogene Infusionslösungen (z. B. Ringer-Laktat statt reine Glukose), Vermeidung von exzessivem Bierkonsum vor der Aufnahme
Natrium-Entgleisungen gehören zu den gefährlichsten Elektrolyt-Komplikationen im Alkoholentzug. Bei Aufnahme und täglich Natrium messen – immer langsam und kontrolliert korrigieren. Zu schnelle Korrektur einer Hyponatriämie kann bleibende Hirnschäden (zentral-pontine Myelinolyse) verursachen.
FAQ – Natrium im Alkoholentzug #
Warum bekommen viele chronische Trinker zu niedriges Natrium?
Durch exzessiven Konsum natriumarmer Getränke (vor allem Bier) bei gleichzeitig extrem geringer Salzzufuhr entsteht die klassische „Bier-Potomanie“ – eine Verdünnungshyponatriämie.
Zu schnelle Korrektur kann ein osmotisches Demyclinisierungssyndrom (zentral-pontine Myelinolyse) auslösen – eine oft irreversible neurologische Schädigung. In chronischen Fällen nie mehr als 6–8 mmol/l in 24 Stunden anheben.Was ist das größte Risiko bei der Korrektur eines zu niedrigen Natriums?
Ja, besonders nach großen Mengen natriumfreier Infusionen oder in der diuretischen Phase. Schnelle Flüssigkeitsverschiebungen können Natrium auf über 145–150 mmol/l treiben – ebenfalls gefährlich.Kann im Entzug auch zu hohes Natrium vorkommen?
Nein. Bei Hyponatriämie ist oft erst Flüssigkeitsrestriktion richtig; bei Hypernatriämie werden natriumfreie Lösungen gegeben. Salz oder Kochsalzinfusionen sind nur in seltenen Fällen von echtem Natriummangel indiziert.Muss im Entzug immer Natrium supplementiert werden?
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.