Myo-Inositol ist eine körpereigene Substanz, die chemisch zu den cyclischen Zuckeralkoholen zählt und funktionell eine zentrale Rolle im Zellstoffwechsel spielt. Obwohl es oft den B-Vitaminen zugerechnet wird, ist es kein echtes Vitamin, da es vom Körper selbst synthetisiert werden kann – vor allem in Leber, Nieren und Gehirn.
Biologische Funktionen #
Myo-Inositol ist ein Schlüsselmolekül für zahlreiche physiologische Prozesse:
- Signalübertragung in Zellen: Es ist Bestandteil der Phosphoinositide in Zellmembranen, aus denen sekundäre Botenstoffe wie IP3 (Inositoltrisphosphat) gebildet werden. Diese sind entscheidend für die intrazelluläre Signalweiterleitung, etwa bei Hormonantworten auf Insulin, TSH oder Neurotransmitter.
- Insulinwirkung: Myo-Inositol verbessert die Insulinsensitivität und wird therapeutisch bei Insulinresistenz und polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) eingesetzt.
- Nervenzellfunktion: Es unterstützt die Funktion von GABA-, Serotonin– und Dopaminrezeptoren und hat daher auch eine potenzielle Bedeutung bei der Behandlung affektiver Störungen, Angststörungen und Zwangserkrankungen.
- Zellmembranstruktur: Es stabilisiert die Zellmembranen, insbesondere in Nervenzellen, und ist an der Myelinsynthese beteiligt.
- Fortpflanzung: Bei Frauen mit PCOS kann Myo-Inositol die Ovulation fördern und die Eizellqualität verbessern. Auch die Spermienqualität beim Mann scheint davon zu profitieren.
Wirkung von Alkohol auf Myo-Inositol #
Chronischer Alkoholmissbrauch kann den Myo-Inositol-Haushalt im Gehirn und anderen Geweben erheblich stören:
- Gehirnstoffwechsel: Alkohol senkt nachweislich den Myo-Inositol-Spiegel im Gehirn, was mittels bildgebender Verfahren (z. B. MR-Spektroskopie) nachgewiesen wurde. Dies betrifft vor allem Regionen wie den frontalen Cortex. Der Rückgang kann mit neurokognitiven Defiziten und Störungen der Zellkommunikation in Verbindung stehen.
- Entzündliche Veränderungen: Niedrige Myo-Inositol-Spiegel gelten als Marker für neuroinflammatorische Prozesse, wie sie bei chronischem Alkoholismus, aber auch bei Depressionen und Hirnalterung vorkommen.
- Entzug: Einige Studien zeigen, dass sich die Inositolwerte im Gehirn nach Alkoholabstinenz langsam wieder normalisieren, was als Hinweis auf eine partielle Reversibilität der alkoholinduzierten Schäden gewertet wird.
Klinische Anwendung #
- Typische therapeutische Dosen liegen bei 2–4 g/Tag.
- Es wird in Studien zur Behandlung von PCOS, Metabolischem Syndrom, Depression, Angststörungen und Insomnie untersucht.
- Kombinationspräparate mit D-Chiro-Inositol werden speziell für hormonelle Ungleichgewichte eingesetzt.
Fazit #
Myo-Inositol ist ein vielseitig wirksames Molekül mit zentraler Rolle im Zellstoffwechsel, besonders im Nervensystem und im hormonellen Gleichgewicht. Alkoholmissbrauch kann die Konzentration im Gehirn deutlich senken – mit möglichen Folgen für Stimmung, Gedächtnis und Zellfunktion. Umgekehrt wird die Substanz in der komplementären Medizin zunehmend als unterstützendes Therapeutikum genutzt.
Ist Myo-Inositol ein Vitamin?
Nein, obwohl es oft zu den B-Vitaminen gezählt wird, ist es kein echtes Vitamin, da der Körper es selbst herstellen kann.
Welche Rolle spielt Myo-Inositol bei PCOS?
Es verbessert die Insulinsensitivität und kann den Eisprung sowie die Eizellqualität fördern.
Was passiert mit Myo-Inositol bei Alkoholmissbrauch?
Chronischer Alkoholkonsum senkt den Inositol-Spiegel im Gehirn, was neurokognitive Störungen begünstigen kann.
Ist die Wirkung von Myo-Inositol wissenschaftlich belegt?
Für viele Anwendungsbereiche (z. B. PCOS, Insulinresistenz) liegen gut dokumentierte Studien vor. Auch bei psychischen Erkrankungen wird es zunehmend erforscht.
Dr. med. Bernd Guzek #
Arzt, Autor, Angehöriger & Mitbegründer von Alkohol adé
Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den biochemischen Grundlagen von Sucht und Hirnstoffwechselstörungen sowie deren Beeinflussung durch Nährstoffe.